Bobath-Therapie für Kinder — alles über die ganzheitliche Behandlung
Ebenso wie Erwachsene können (Klein-)Kinder und Jugendliche an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden. So treten beispielsweise bei manchen Kindern erworbene oder angeborene Störungen des Bewegungsapparates oder neurologische Erkrankungen auf. Um diese Abweichungen zu behandeln, wenden Kindertherapeuten wie Susanne Prietz die sogenannte Bobath-Therapie an. Dabei handelt es sich um eine ganzheitliche Behandlungsform, die sich nach den Wünschen und Bedürfnissen der kleinen Patient:innen gestalten lässt.
Konzept und Grundannahmen der Bobath-Therapie
Die Bobath-Therapie für Kinder entstand bereits vor Jahrzehnten, wie Susanne Prietz, die Gründerin vom Therapiezentrum Prietz erklärt. „Entwickelt wurde diese Therapieform vom Ehepaar Dr. Karel und Dr. Berta Bobath in den 1940er-Jahren”, führt die erfahrene Expertin aus. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Behandlungskonzept sodann modifiziert und verbessert. Zunächst behandelten die Therapeuten kleine Patient:innen, die Symptome eines Schlaganfalls oder Bewegungsstörungen zeigten. „Daraus entwickelte sich schließlich ein interdisziplinäres Konzept, da das Paar erkannte, dass die Therapie Bewegungsmuster beeinflussen kann.”
Als wichtige Grundannahme rückt die Bobath-Therapie die sich stetig verändernde Entwicklung der Kinder in den Fokus. „Hierbei wirken emotionale, geistige und sensomotorische Komponenten zusammen”, so Kindertherapeutin Susanne Prietz. Auch der Fakt, dass sich Kinder permanent mit den sozialen und gegenständlichen Bedingungen ihrer Umwelt auseinandersetzen, fließt in die Therapie ein. Im Therapiezentrum Prietz imitiert die Expertin bestimmte Rotationsbewegungen an Schlüsselpunkten. Dadurch werden koordinierte Bewegungsabläufe ermöglicht. Um dem Nachwuchs zu helfen, wird die Bobath-Therapie für Kinder meistens auch spielerisch umgesetzt – auf dem Boden oder auch auf einem Gymnastikball: „Wir möchten Säuglingen, Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen gleichermaßen zu mehr Beweglichkeit im Alltag verhelfen”, verrät Susanne Prietz im Gespräch.
An wen sich die Bobath-Therapie richtet
Die Bobath-Therapie ist primär für kleine Patient:innen mit einer ärztlich bescheinigten, neurologischen Diagnose vorgesehen. „Der Weg zum Physiotherapeuten führt immer über den Kinderarzt”, bestätigt die Physiotherapeutin Monja Sales Prado. Auch bei Bewegungs- und Entwicklungsstörungen findet die Therapie Anwendung. „Zu unseren Patient:innen gehören beispielsweise Babys mit sensomotorischen Auffälligkeiten oder auch Kinder mit kognitiven Beeinträchtigungen”, führt Susanne Prietz aus. Als erfahrene Bobath-Therapie-Expertin empfiehlt sie das Konzept aber auch bei nur leichten Koordinations- oder Entwicklungsstörungen. Sie betont, wie wichtig es sei, funktionelle Störungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. „Bei einer auffälligen Körperhaltung oder auch Fußfehlstellungen, gestörten Muskelspannungen oder Koordinationsstörungen sollten Eltern reagieren”, meint die Expertin. „Selbst Frühgeborene mit Ess- und Trinkstörungen oder auffälligen Bewegungsmustern behandeln wir natürlich im Therapiezentrum Prietz”, bekräftigt Susanne Prietz. Und: Auch schwerstkranke Kinder und Jugendliche können von der Bobath-Therapie gesundheitlich profitieren. Wie die Physiotherapeutin und Fachkraft für Palliativmedizin Monja Sales Prado im Interview verrät, gehört die Bobath-Therapie zu „den klassischen Therapiemethoden, die in der Pädiatrie angewandt werden”.
So funktioniert die Bobath-Therapie
Bei der Bobath-Therapie arbeiten erfahrene Physiotherapeut:innen mit ihren Patient:innen an natürlichen Bewegungsabläufen. Welche das sind, richtet sich nach dem Alter und der Entwicklung des Kindes. Hierbei verfolgt der individuelle Therapieplan stets das Ziel, die Bewegungsabläufe und Körperwahrnehmung zu verbessern. Auch „verloren geglaubte“ Abläufe lassen sich dank der lebenslangen Lernfähigkeit des Gehirns wieder beibringen, wie Experten betonen. Denn: Die Struktur des menschlichen Gehirns lasse sich zum Teil neu ausrichten, „umorganisieren“, wie Susanne Prietz es nennt. Dadurch können geschädigte Bereiche ersetzt oder repariert werden.
Um die Bewegungsabläufe effizient durchzuführen, wenden Therapeuten unterschiedliche Methoden an. Zum Einsatz kommen etwa auditive und visuelle Reize. Auch die Haltungskontrolle ist ein essenzieller Grundstein, der es ermöglicht, beispielsweise Säuglinge zu tragen, anders zu positionieren oder hochzuheben. Ergänzt wird die Therapie durch alltägliche Materialien und Gegenstände. Anders als bei anderen Therapieformen gibt es keine allgemeingültigen, fest definierten Übungen. Stattdessen soll die Eigenaktivität der Kinder gefördert werden. Dementsprechend individuell und alltagsnah sind die Maßnahmen der Bobath-Therapie, welche die Physiotherapeuten gemeinsam mit den Eltern abstimmen. Wie lange solche Behandlungen dauern, ist individuell verschieden. Wie eine Bobath-Therapeutin verrät, dauert eine Sitzung meistens „mindestens 30 Minuten […] gerne bis zu 50 Minuten”.
Warum Eltern häufig als Co-Therapeuten fungieren
Die gesunde Eltern-Kind-Bindung entfaltet sich auch in der Bobath-Therapie. Entscheidend ist, dass Eltern und Kinder unter Anleitung miteinander interagieren. Nicht umsonst sehen Fachleute Eltern unter anderem in der Rolle der Co-Therapeuten – und das nicht nur im Hinblick auf Kinderkrankheiten, die elterliche Fürsorge erfordern. Auch bei neurologischen Störungen oder Bewegungseinschränkungen ermutigt Expertin Susanne Prietz dazu, als elterliche Co-Therapeuten aufzutreten. Viele Übungen aus der Praxis können Eltern auch bei sich zu Hause durchführen und somit den Therapieerfolg steigern. Wie üblich, richten sich auch diese Schwerpunkte nach den individuellen Bedingungen des Kindes. „Das Kind dort abholen, wo es gerade steht”, lautet die Devise – mit den Eltern als Co-Therapeuten, dank deren Beobachtungsgabe sich die Therapie jederzeit verifizieren und anpassen lässt. Hingegen sei die Eltern-Trainer-Beziehung, wie der Physiotherapeut Patrick Hartmann im Interview verrät, gar nicht so wichtig, aber: „Natürlich sollten die Eltern das Vertrauen haben, dass ihre Kinder in den besten Händen sind.”